Was Goretex und andere Klimamembranen versprechen ...
... und was sie halten können
- Ein wenig Chemie
- Der Aufbau der Kleidung
- Wunsch und Wirklichkeit
- Was will mir das alles sagen?
- Welches Aussenmaterial nehmen?
- Ein paar Bemerkungen zu funktioneller Kleidung
- Anmerkungen von Uwe Reichelt/Gore Deutschland
Motorradfahren ist wunderschön; wir alle wissen das. Es hat nur einen
Nachteil: wir sind jeglicher Unbill des Wetters - Hitze, Kälte, Nässe -
ausgeliefert. Da der Mensch aber aufgrund seiner Konstruktion nicht unbedingt
als perfekt anzusehen ist - ich erinnere nur an das nicht vorhandene Fell -,
muss er unwirtliche Umweltbedingungen, besonders Nässe und Kälte,
durch ein entsprechendes "Ersatzfell", sprich Kleidung, ausgleichen. Das gilt
natürlich in ganz besonderem Masse für die Unterart homo sapiens
automobilis birotae ordinaris, den gemeinen Motorradfahrer. Diese Spezies
muss sich vor allem möglichen schützen: vor den Folgen von Stürzen,
die nun mal kaum ausbleiben, vor Insekten, die Sturzangriffe
mit 100 km/h und mehr fliegen, vor Duschen, die von oben kommen, vor Kälte,
vor Hitze. Lassen wir die Insekten mal aussen vor - die sind nicht das Problem.
Motorradbekleidung muss vor Sturzfolgen und Nässe und Kälte
schützen oder vor Sturzfolgen und Nässe und Hitze.
Wobei die Hitze das grösste Problem darstellt. Wir können uns nicht
endlos ausziehen - siehe Sturzfolgen und dann schliesslich doch die Insekten.
Bleiben wir also mal bei Nässe und Kälte. Gegen Kälte hilft
warme Unterwäsche unter der Lederkombi schon weiter, und gegen die Nässe
schleppen wir immer einen unbequemen, Platz vergeudenden Plastiksack namens
Regenkombi mit uns herum, den wir im Notfall eh' immer zu spät anziehen -
wenn das Leder nämlich schon nass ist. Da trat nun vor einigen Jahren ein
Amerikaner namens Gore auf den Plan, der ein wahres Wunderzeug erfunden hatte -
Goretex eben. Die Konkurrenz war auch nicht faul und brachte Sachen auf den Markt
wie Aerotex, Helsapor, Sympatex und wie sie alle heissen. Die Werbung versprach
(und verspricht) von allen diesen Wunderstoffen, dass Kleidung aus ihnen
wasserdicht und atmungsaktiv sei. Was ist an diesem Versprechen
dran? Zunächst mal: Kleidung "aus" Goretex, Helsapor, Sympatex, was auch
immer gibt es nicht, und atmungsaktiv sind sie auch nicht,
sondern wasserdampfdurchlässig, doch mit einem solchen Monsterwort
lässt sich nicht gut werben. Was die Werbung meint, ist, dass Wasser von
aussen nicht eindringen kann, Körperfeuchtigkeit (ordinärer Schweiss)
aber von innen nach aussen entweichen kann, der Körper also angenehm trocken
bleibt, was immer auch passiert. Zu diesem Versprechen später mehr.
Eine andere Werbebezeichnung ist Klimamembran,
und das trifft den Kern der Sache schon eher. Ich werde also in der Folge
von Klimamembranen reden. Aber nun wirklich der Reihe nach.
Ein wenig Chemie
Woraus besteht eine solche Klimamembran? Chemisch betrachtet, handelt es sich um ein gestrecktes
Polytetrafluorethylen (PTFE), besser bekannt unter dem Handelsnamen Teflon.
Genau, das gleiche Zeug, das Du auch in der Bratpfanne hast. Teflon ist eine
chemisch reaktionsträge, winddichte und wasserabweisende Folie.
Wie war das aber jetzt mit dem Schweiss, wenn das Zeug wasserabstossend ist?
Damit der Schweiss in Form von Wasserdampf nach draussen kann, sind die
Membranen porös, d.h. mit mikroskopisch kleinen Löchern versehen -
mehr als 1 Milliarde pro Quadratzentimeter. Diese Poren sind ca. 20000mal kleiner
als ein Wassertropfen, aber ca. 700 mal grösser als ein Wasserdampfmolekül.
Ergo: Wasser kann nicht durch, Dampf schon.
Das bisher gesagte gilt für alle Folien, ausser Sympatex. Sympatex ist eine
chemisch sehr kompliziert aufgebaute Polyester-Membran ohne Poren. Die
Wasserdampfmoleküle werden hier auf chemischem Weg entlang der Polyester-Molekülketten
absorbiert und nach draussen geleitet. Ansonsten gilt aber auch hier: winddicht, wasserabweisend.
Der Aufbau der Kleidung
Ich sagte es oben schon einmal: Kleidung "aus" Goretex gibt es nicht. Der Grund:
Die Folien sind extrem dünn - Bruchteil eines Millimeters - und sehr
empfindlich - die Poren machen ca. 80 % der Membranfläche aus. Um diese
Folien für Bekleidung nutzen zu können, musste man sich also etwas
anderes einfallen lassen. Wir unterscheiden heute 3 verschiedene Verarbeitungsmethoden:
- dreilagiges Laminat: aussen ein Trägergewebe (z.b. Nylon (Cordura)),
darauf auflaminiert die Klimamembrane, innen eine Schutzschicht für die
Membrane. Dieser Aufbau ist sehr stabil, aber steifer im Griff als
- zweilagiges Laminat: dies besteht nur aus dem Trägergewebe und
der auflaminierten Membrane. Zum Schutz vor mechanischer Abnutzung der Membrane
ist das Kleidungsstück mit einem leichten Futter ausgestattet. Leichter
und weicher im Griff als dreilagiges Laminat. Problemzone bei beiden Laminaten:
die Nähte. Sie müssen besonders sorgfältig abgedichtet (verschweisst)
sein. Vorteil: auch Aussentaschen sind i.A. wasserdicht.
- Z-Liner: Aussenmaterial, Klimamembran und Futter sind nicht zu einer
Schicht laminiert, die Membrane hängt wie ein Sack zwischen Aussenmaterial
und Futter. Der Regen kann durch das Aussenmaterial dringen, wird durch die
Membrane aber vom Körper ferngehalten. Leicht und weich im Griff. Ausserdem
kann hierbei eine Klimamembran auch bei "schwierigen" Kleidungsstücken mit
vielen Nähten eingesetzt werden. Nachteil: Aussentaschen sind nicht
wasserdicht. Dennoch ist ein Z-Liner IMHO die beste Wahl. Bei solchen Kleidungsstücken
können Schäden am Aussenmaterial (Loch, aufgerissene Naht), die die
Membrane nicht in Mitleidenschaft gezogen haben, mit der gebotenen Sorgfalt
"mit Bordmitteln" repariert werden, ein Laminat muss eingeschickt und vom
Hersteller repariert werden.
Wunsch und Wirklichkeit
Versprochen wird uns von den Herstellern aller Klimamembranen, dass sie
winddicht, wasserdicht und atmungsaktiv (eigentlich ja, siehe oben, wasserdampfdurchlässig)
seien. Was ist von diesen Versprechen nun wirklich zu halten, wie sieht die
rauhe Wirklichkeit aus? Zunächst mal - die Folien sind winddicht und wasserdicht.
Ob das gesamte Kleidungsstück es auch ist, hängt von der Verarbeitung ab: bei
Laminaten bedürfen die Nähte besonderer Aufmerksamkeit und Behandlung, bei
Z-Linern genügt schon ein Stich in die Folie bei einer schusselig ausgeführten
Naht, um den Effekt der Wasserdichtheit zunichte zu machen. Da kommen wir
nämlich schon zum nächsten Problem: Wenn irgendwo Wasser den Weg nach innen
findet, sei es durch eine schadhafte Stelle der Folie oder durch Ärmelbund
oder Kragen, setzt ein "Dochteffekt" ein, und der Anzug ist bald von innen
ebenso nass wie von aussen. Vor einigen Jahren hörte man häufiger die
Ansicht, dass Klimamembranen nach einigen Jahren, aufgrund der Verflüchtigung
der in ihnen enthaltenen "Weichmacher", spröde würden, demzufolge
brächen und ihre Wasserdichtheit verlören. In der Tat klagt mein
Freund Horst darüber, dass seine Rukka-Kombi mit Goretexfolie nach 6 Jahren nicht mehr
dicht sei. Ich besitze seit gut 3 Jahren eine Belstaff-Kombi mit Aerotex-Folie
und habe in dieser Hinsicht noch keinen Grund zur Klage.
Kommen wir zur "Atmungsaktivität", und da driften Versprechen und Wirklichkeit
doch schon etwas auseinander. Wie funktioniert das eigentlich? Die kleinen
Poren habe ich oben schon angesprochen. Damit der Wasserdampf nun durch diese
Poren den Weg nach draussen findet, muss, physikalisch gesprochen, ein gewisser
Dampfdruck vorhanden sein. Populärwissenschaftlich heisst das, das zwischen
der Innenseite der Folie und der Aussenseite ein Temperaturgefälle vorhanden
sein muss. Je grösser dieses Gefälle ist, desto besser funktioniert
die Geschichte, je kleiner es ist, desto schlechter. An der Innenseite der
Folie haben wir die normale Körpertemperatur von 36,irgendwas Grad. Und
draussen? Nun ja, im Winter kalt, im Sommer heiss. Wir schliessen: Die
"Atmungsaktivität" wird hervorragend im Winter funktionieren, im Sommer,
wenn wir wirklich schwitzen wie der Bär, können wir sie vergessen.
Schade eigentlich, aber es ist so. Erschwerend kommt noch hinzu, dass der
Mensch, wenn er denn wirklich eine körperlich Leistung vollbringt, bis
zu 2 ltr Schweiss pro Stunde absondert, eine Klimamembran aber nur in der
Lage ist, zwischen 200-290 g Dampf pro Qudratmeter und Stunde entweichen zu
lassen. Die Folge: der Dampf kondensiert an der Innenseite der Folie, und
mit dem trockenen Körper war das mal wieder nichts. Unter extremen
Klimabedingungen, z.B. im tropischen Regenwald (wo es den noch gibt...), kann
sich der Effekt unter Umständen sogar umkehren.
Was will mir das alles sagen?
Zunächst mal, dass auch Klimamembranen keine Wunderdinge vollbringen
können. Ist es nun Dummfug, sich so eine Kutte zuzulegen? Die Antwort
ist ein klares jein. Es kommt mal wieder darauf an, was ich will. Wenn ich
nur im Sommer und nur bei schönem Wetter fahre, ist IMHO ein teurer Goretex-
Anzug überflüssig, ich bin dann besser mit einer Lederkombi oder
einem Cordura-Fahranzug ohne Klimamembran und
für den Duschfall mit einer Regenkombi (2-teilig) bedient. Als Ganzjahresfahrer
allerdings schätze ich in der kalten und niederschlagsreichen Jahreszeit
die Wasser- und Winddichtheit dieser Kleidung. Hinzu kommt noch, dass Goretex,
im Gegensatz zu Leder, ein schlechter Temperaturleiter ist. Das heisst, auch
die Kälte kriecht nicht so schnell nach innen. Ich habe absolut keine
Schwierigkeiten, bei Temperaturen bis -10 Grad zu fahren. Für den
halbstündigen Weg zur Arbeit trage ich dann meine normalen Büroklamotten
drunter (da ich Gottseidank nicht in Schlips und Kragen antanzen muss, heisst
das: Hemd, Pullover, Jeans). Für längere Törns ist allerdings
warme Unterwäsche angesagt.
Was die Gesamtverarbeitung angeht (nicht das Membranspezifische) und die Protektoren,
gilt natürlich das an anderer Stelle über Leder
gesagte.
Welches Aussenmaterial nehmen?
Grundsätzlich können Klimamembranen mit allen möglichen Aussenmaterialien
kombiniert werden, für den Einsatz als Motorradkleidung bleiben allerdings nur
zwei übrig: Leder und Cordura, eine besonders reissfeste Nylonfaser. Goretex-Kombis
aus hydrophobiertem (=wasserabweisend behandeltem Leder)
haben die Firmen BMW und Stadler entwickelt; nach Aussage von
Uwe Reichelt von Gore Deutschland ist die BMW-Kombi seit zwei Jahren im Test
bei Gore und soll sich da durchaus bewährt haben. Wichtig ist dabei nur, dass
das Leder eben entsprechend behandelt ist, da es sonst, wie "normales" Leder eben auch,
nass und damit schwer wird, und genauso schnell bzw. langsam trocknet wie eine
normale Lederkombi. Ebenso im Bereich Handschuhe und Stiefel
gibt es noch Leder als Aussenmaterial. Dazu könnte man auch noch eine ganze Menge
schreiben; vielleicht mache ich das mal später und an anderer Stelle.
Cordura hat gegenüber Leder, bei ungefähr gleicher Reiss- und Scheuerfestigkeit
(wichtig, wenn Du mit dem Arsch über die Strasse rodelst), den Vorteil, wesentlich
leichter zu sein und wesentlich schneller zu trocknen. Nachteil: es hat nicht die Elastizität
von Leder, Cordura-Anzüge sind also des Tragekomforts wegen i.A. etwas grosszügiger
geschnitten und neigen demzufolge dazu, sich bei höheren Geschwindigkeiten aufzublähen.
Ein paar Bemerkungen zu funktioneller Kleidung
Das Wohlbefinden des Körpers - und damit auch Deine Leistungsfähigkeit - wird durch
das Mikroklima zwischen der Haut und dem äussersten Kleidungsstück bestimmt.Hier
können folgende Extreme auftreten:
- Wärmestau: Entsteht durch körperliche Anstrengung oder im Sommer
durch zu enge Kleidung, die keinen Luft- und Feuchtigkeitsaustausch ermöglicht.
Reaktion des Körpers: übermässiges Schwitzen
- Wärmeverlust: bei Kälte, durch starke Verdunstung und zu starken
Luftaustausch. Reaktion des Körpers: Reduzierung der Temperatur an der Hautoberfläche
auf bis zu weniger als 30 Grad. Man friert.
4 Faktoren können zum Wärmeverlust führen:
- Strahlung: der Körper erzeugt Energie. Diese Strahlungswärme
wird normalerweise von der Kleidung gebunden.
- Konduktion (Ableitung): tritt auf, wenn Du Dich auf kalte Steine setzt oder Dich
mit dem Schlafsack direkt (ohne Isomatte) auf den Boden legst.
- Konvektion (Verdrängung): gravierendster Wärmeverlustfaktor, bezeichnet
den Austausch der Luftschicht zwischen Haut und äusserstem Kleidungsstück. Das
beste Wärmepolster des Körpers ist die stehende Luft. Deshalb im Winter
möglichst winddichte Kleidung tragen, die an Ärmeln, Beinen, Hüfte und Hals
keine Luft entweichen lässt.
- Verdunstung: Wärmeverlust durch Feuchtigkeitstransport. Bei körperlicher
Anstrengung produziert der Körper Schweiss, um den Wärmehaushalt auszugleichen. Eine
gute Unterkleidung (Funktionsunterwäsche, z.B. Skiunterwäsche) nimmt diese Feuchtigkeit
auf und leitet sie vom Körper weg, der dadurch relativ trocken bleibt. Baumwolle
hingegen saugt den Schweiss auf, wodurch sie aufquillt; die Maschen schliessen sich
und die Feuchtigkeit wird am Körper gehalten. Um diese Feuchtigkeit zu trocknen, wird
Wärme benötigt, und die wird dem Körper entzogen. Er verliert Energie, und
man friert, selbst an heissen Sommertagen.
Eine funktionelle Bekleidung bei körperlicher Anstrengung und niedrigen Aussentemperaturen sieht also so aus:
- Unterwäsche, die die Feuchtigkeit vom Körper wegleitet und so die Haut trocken
hält. Wolle oder Seide bei normaler körperlicher Anstrengung, Polypropylen
oder hydrophiles Polyester bei starker Betätigung.
- Hemden aus Wolle oder Baumwoll-Flanell (bei normaler Betätigung) oder Fleece, der
die Körperfeuchtigkeit nur kurzfristig speichert.
- Pullover aus naturbelassener Wolle, Faserpelz oder Polyester-Fleece
- Oberbekleidung, die möglichst winddicht und "atmungsaktiv" ist.
Noch ein Wort zur Baumwolle, dem angeblich naturreinen Produkt. Unbehandelte Baumwolle knittert
sehr stark und läuft bei der Wäsche ein. Um dem entgegenzuwirken, wird Baumwolle
fast immer einer chemischen Behandlung unterzogen (z.B. Tränkung mit Ammoniak) und bekommt
dann das Prädikat "pflegeleicht". Hinzu kommt die Anbau-Problematik: Baumwolle-Anbau
bedeutet Monokultur, mit allen Nachteilen für die übrige Flora und Fauna, starker
Einsatz von Pestiziden und für die maschinelle Ernte Einsatz von Entlaubungsmitteln.
Der gleichen chemischen Keule, die schon in Vietnam benutzt wurde, um den Dschungel "durchsichtig"
zu machen. Jaja, der Krieg, der Vater aller Dinge...Wir sehen: mit dem "naturreinen Produkt"
Baumwolle ist es wirklich nicht weit her. Und letztlich: auch wenn auf dem Etikett
"100% Baumwolle" steht, muss das nicht notwendigerweise stimmen. Ab einem Anteil
von 85 % darf der Hersteller das Kleidungsstück als zu 100 % aus Baumwolle
bestehend deklarieren; die restlichen 15 % bleiben eben unbekannt.
Anmerkungen von Uwe Reichelt/Gore Deutschland
Uwe Reichelt (Gore Deutschland) hatte zu
diesem Artikel einiges zu bemerken. Aufgrund dieser Anmerkungen,
die ihr hier nachlesen könnt, habe ich diesen Artikel in einigen Punkten
überarbeitet. Vielen Dank an dieser Stelle an Herrn Reichelt für die
Unterstützung.
Detlev Müller (detlev.mueller@bgr.de)
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