Was Goretex und andere Klimamembranen versprechen ...

... und was sie halten können


  1. Ein wenig Chemie
  2. Der Aufbau der Kleidung
  3. Wunsch und Wirklichkeit
  4. Was will mir das alles sagen?
  5. Welches Aussenmaterial nehmen?
  6. Ein paar Bemerkungen zu funktioneller Kleidung
  7. Anmerkungen von Uwe Reichelt/Gore Deutschland
Motorradfahren ist wunderschön; wir alle wissen das. Es hat nur einen Nachteil: wir sind jeglicher Unbill des Wetters - Hitze, Kälte, Nässe - ausgeliefert. Da der Mensch aber aufgrund seiner Konstruktion nicht unbedingt als perfekt anzusehen ist - ich erinnere nur an das nicht vorhandene Fell -, muss er unwirtliche Umweltbedingungen, besonders Nässe und Kälte, durch ein entsprechendes "Ersatzfell", sprich Kleidung, ausgleichen. Das gilt natürlich in ganz besonderem Masse für die Unterart homo sapiens automobilis birotae ordinaris, den gemeinen Motorradfahrer. Diese Spezies muss sich vor allem möglichen schützen: vor den Folgen von Stürzen, die nun mal kaum ausbleiben, vor Insekten, die Sturzangriffe mit 100 km/h und mehr fliegen, vor Duschen, die von oben kommen, vor Kälte, vor Hitze. Lassen wir die Insekten mal aussen vor - die sind nicht das Problem. Motorradbekleidung muss vor Sturzfolgen und Nässe und Kälte schützen oder vor Sturzfolgen und Nässe und Hitze. Wobei die Hitze das grösste Problem darstellt. Wir können uns nicht endlos ausziehen - siehe Sturzfolgen und dann schliesslich doch die Insekten. Bleiben wir also mal bei Nässe und Kälte. Gegen Kälte hilft warme Unterwäsche unter der Lederkombi schon weiter, und gegen die Nässe schleppen wir immer einen unbequemen, Platz vergeudenden Plastiksack namens Regenkombi mit uns herum, den wir im Notfall eh' immer zu spät anziehen - wenn das Leder nämlich schon nass ist. Da trat nun vor einigen Jahren ein Amerikaner namens Gore auf den Plan, der ein wahres Wunderzeug erfunden hatte - Goretex eben. Die Konkurrenz war auch nicht faul und brachte Sachen auf den Markt wie Aerotex, Helsapor, Sympatex und wie sie alle heissen. Die Werbung versprach (und verspricht) von allen diesen Wunderstoffen, dass Kleidung aus ihnen wasserdicht und atmungsaktiv sei. Was ist an diesem Versprechen dran? Zunächst mal: Kleidung "aus" Goretex, Helsapor, Sympatex, was auch immer gibt es nicht, und atmungsaktiv sind sie auch nicht, sondern wasserdampfdurchlässig, doch mit einem solchen Monsterwort lässt sich nicht gut werben. Was die Werbung meint, ist, dass Wasser von aussen nicht eindringen kann, Körperfeuchtigkeit (ordinärer Schweiss) aber von innen nach aussen entweichen kann, der Körper also angenehm trocken bleibt, was immer auch passiert. Zu diesem Versprechen später mehr. Eine andere Werbebezeichnung ist Klimamembran, und das trifft den Kern der Sache schon eher. Ich werde also in der Folge von Klimamembranen reden. Aber nun wirklich der Reihe nach.

Ein wenig Chemie

Woraus besteht eine solche Klimamembran? Chemisch betrachtet, handelt es sich um ein gestrecktes Polytetrafluorethylen (PTFE), besser bekannt unter dem Handelsnamen Teflon. Genau, das gleiche Zeug, das Du auch in der Bratpfanne hast. Teflon ist eine chemisch reaktionsträge, winddichte und wasserabweisende Folie. Wie war das aber jetzt mit dem Schweiss, wenn das Zeug wasserabstossend ist? Damit der Schweiss in Form von Wasserdampf nach draussen kann, sind die Membranen porös, d.h. mit mikroskopisch kleinen Löchern versehen - mehr als 1 Milliarde pro Quadratzentimeter. Diese Poren sind ca. 20000mal kleiner als ein Wassertropfen, aber ca. 700 mal grösser als ein Wasserdampfmolekül. Ergo: Wasser kann nicht durch, Dampf schon.
Das bisher gesagte gilt für alle Folien, ausser Sympatex. Sympatex ist eine chemisch sehr kompliziert aufgebaute Polyester-Membran ohne Poren. Die Wasserdampfmoleküle werden hier auf chemischem Weg entlang der Polyester-Molekülketten absorbiert und nach draussen geleitet. Ansonsten gilt aber auch hier: winddicht, wasserabweisend.

Der Aufbau der Kleidung

Ich sagte es oben schon einmal: Kleidung "aus" Goretex gibt es nicht. Der Grund: Die Folien sind extrem dünn - Bruchteil eines Millimeters - und sehr empfindlich - die Poren machen ca. 80 % der Membranfläche aus. Um diese Folien für Bekleidung nutzen zu können, musste man sich also etwas anderes einfallen lassen. Wir unterscheiden heute 3 verschiedene Verarbeitungsmethoden:
  1. dreilagiges Laminat: aussen ein Trägergewebe (z.b. Nylon (Cordura)), darauf auflaminiert die Klimamembrane, innen eine Schutzschicht für die Membrane. Dieser Aufbau ist sehr stabil, aber steifer im Griff als
  2. zweilagiges Laminat: dies besteht nur aus dem Trägergewebe und der auflaminierten Membrane. Zum Schutz vor mechanischer Abnutzung der Membrane ist das Kleidungsstück mit einem leichten Futter ausgestattet. Leichter und weicher im Griff als dreilagiges Laminat. Problemzone bei beiden Laminaten: die Nähte. Sie müssen besonders sorgfältig abgedichtet (verschweisst) sein. Vorteil: auch Aussentaschen sind i.A. wasserdicht.
  3. Z-Liner: Aussenmaterial, Klimamembran und Futter sind nicht zu einer Schicht laminiert, die Membrane hängt wie ein Sack zwischen Aussenmaterial und Futter. Der Regen kann durch das Aussenmaterial dringen, wird durch die Membrane aber vom Körper ferngehalten. Leicht und weich im Griff. Ausserdem kann hierbei eine Klimamembran auch bei "schwierigen" Kleidungsstücken mit vielen Nähten eingesetzt werden. Nachteil: Aussentaschen sind nicht wasserdicht. Dennoch ist ein Z-Liner IMHO die beste Wahl. Bei solchen Kleidungsstücken können Schäden am Aussenmaterial (Loch, aufgerissene Naht), die die Membrane nicht in Mitleidenschaft gezogen haben, mit der gebotenen Sorgfalt "mit Bordmitteln" repariert werden, ein Laminat muss eingeschickt und vom Hersteller repariert werden.

Wunsch und Wirklichkeit

Versprochen wird uns von den Herstellern aller Klimamembranen, dass sie winddicht, wasserdicht und atmungsaktiv (eigentlich ja, siehe oben, wasserdampfdurchlässig) seien. Was ist von diesen Versprechen nun wirklich zu halten, wie sieht die rauhe Wirklichkeit aus? Zunächst mal - die Folien sind winddicht und wasserdicht. Ob das gesamte Kleidungsstück es auch ist, hängt von der Verarbeitung ab: bei Laminaten bedürfen die Nähte besonderer Aufmerksamkeit und Behandlung, bei Z-Linern genügt schon ein Stich in die Folie bei einer schusselig ausgeführten Naht, um den Effekt der Wasserdichtheit zunichte zu machen. Da kommen wir nämlich schon zum nächsten Problem: Wenn irgendwo Wasser den Weg nach innen findet, sei es durch eine schadhafte Stelle der Folie oder durch Ärmelbund oder Kragen, setzt ein "Dochteffekt" ein, und der Anzug ist bald von innen ebenso nass wie von aussen. Vor einigen Jahren hörte man häufiger die Ansicht, dass Klimamembranen nach einigen Jahren, aufgrund der Verflüchtigung der in ihnen enthaltenen "Weichmacher", spröde würden, demzufolge brächen und ihre Wasserdichtheit verlören. In der Tat klagt mein Freund Horst darüber, dass seine Rukka-Kombi mit Goretexfolie nach 6 Jahren nicht mehr dicht sei. Ich besitze seit gut 3 Jahren eine Belstaff-Kombi mit Aerotex-Folie und habe in dieser Hinsicht noch keinen Grund zur Klage.
Kommen wir zur "Atmungsaktivität", und da driften Versprechen und Wirklichkeit doch schon etwas auseinander. Wie funktioniert das eigentlich? Die kleinen Poren habe ich oben schon angesprochen. Damit der Wasserdampf nun durch diese Poren den Weg nach draussen findet, muss, physikalisch gesprochen, ein gewisser Dampfdruck vorhanden sein. Populärwissenschaftlich heisst das, das zwischen der Innenseite der Folie und der Aussenseite ein Temperaturgefälle vorhanden sein muss. Je grösser dieses Gefälle ist, desto besser funktioniert die Geschichte, je kleiner es ist, desto schlechter. An der Innenseite der Folie haben wir die normale Körpertemperatur von 36,irgendwas Grad. Und draussen? Nun ja, im Winter kalt, im Sommer heiss. Wir schliessen: Die "Atmungsaktivität" wird hervorragend im Winter funktionieren, im Sommer, wenn wir wirklich schwitzen wie der Bär, können wir sie vergessen. Schade eigentlich, aber es ist so. Erschwerend kommt noch hinzu, dass der Mensch, wenn er denn wirklich eine körperlich Leistung vollbringt, bis zu 2 ltr Schweiss pro Stunde absondert, eine Klimamembran aber nur in der Lage ist, zwischen 200-290 g Dampf pro Qudratmeter und Stunde entweichen zu lassen. Die Folge: der Dampf kondensiert an der Innenseite der Folie, und mit dem trockenen Körper war das mal wieder nichts. Unter extremen Klimabedingungen, z.B. im tropischen Regenwald (wo es den noch gibt...), kann sich der Effekt unter Umständen sogar umkehren.

Was will mir das alles sagen?

Zunächst mal, dass auch Klimamembranen keine Wunderdinge vollbringen können. Ist es nun Dummfug, sich so eine Kutte zuzulegen? Die Antwort ist ein klares jein. Es kommt mal wieder darauf an, was ich will. Wenn ich nur im Sommer und nur bei schönem Wetter fahre, ist IMHO ein teurer Goretex- Anzug überflüssig, ich bin dann besser mit einer Lederkombi oder einem Cordura-Fahranzug ohne Klimamembran und für den Duschfall mit einer Regenkombi (2-teilig) bedient. Als Ganzjahresfahrer allerdings schätze ich in der kalten und niederschlagsreichen Jahreszeit die Wasser- und Winddichtheit dieser Kleidung. Hinzu kommt noch, dass Goretex, im Gegensatz zu Leder, ein schlechter Temperaturleiter ist. Das heisst, auch die Kälte kriecht nicht so schnell nach innen. Ich habe absolut keine Schwierigkeiten, bei Temperaturen bis -10 Grad zu fahren. Für den halbstündigen Weg zur Arbeit trage ich dann meine normalen Büroklamotten drunter (da ich Gottseidank nicht in Schlips und Kragen antanzen muss, heisst das: Hemd, Pullover, Jeans). Für längere Törns ist allerdings warme Unterwäsche angesagt. Was die Gesamtverarbeitung angeht (nicht das Membranspezifische) und die Protektoren, gilt natürlich das an anderer Stelle über Leder gesagte.

Welches Aussenmaterial nehmen?

Grundsätzlich können Klimamembranen mit allen möglichen Aussenmaterialien kombiniert werden, für den Einsatz als Motorradkleidung bleiben allerdings nur zwei übrig: Leder und Cordura, eine besonders reissfeste Nylonfaser. Goretex-Kombis aus hydrophobiertem (=wasserabweisend behandeltem Leder) haben die Firmen BMW und Stadler entwickelt; nach Aussage von Uwe Reichelt von Gore Deutschland ist die BMW-Kombi seit zwei Jahren im Test bei Gore und soll sich da durchaus bewährt haben. Wichtig ist dabei nur, dass das Leder eben entsprechend behandelt ist, da es sonst, wie "normales" Leder eben auch, nass und damit schwer wird, und genauso schnell bzw. langsam trocknet wie eine normale Lederkombi. Ebenso im Bereich Handschuhe und Stiefel gibt es noch Leder als Aussenmaterial. Dazu könnte man auch noch eine ganze Menge schreiben; vielleicht mache ich das mal später und an anderer Stelle.
Cordura hat gegenüber Leder, bei ungefähr gleicher Reiss- und Scheuerfestigkeit (wichtig, wenn Du mit dem Arsch über die Strasse rodelst), den Vorteil, wesentlich leichter zu sein und wesentlich schneller zu trocknen. Nachteil: es hat nicht die Elastizität von Leder, Cordura-Anzüge sind also des Tragekomforts wegen i.A. etwas grosszügiger geschnitten und neigen demzufolge dazu, sich bei höheren Geschwindigkeiten aufzublähen.

Ein paar Bemerkungen zu funktioneller Kleidung

Das Wohlbefinden des Körpers - und damit auch Deine Leistungsfähigkeit - wird durch das Mikroklima zwischen der Haut und dem äussersten Kleidungsstück bestimmt.Hier können folgende Extreme auftreten: